Adrienne Young: The Unmaking of June Farrow
Cindy
Adrienne Young veröffentlicht mit „The Unmaking of June Farrow“ bereits ihren zweiten Erwachsenenroman, in dem magischer Realismus eine zentrale Rolle spielt. „Spells for Forgetting“ konnte mich bereits mit seiner anhaltend spannenden Atmosphäre packen, doch mit June Farrow hat Young noch eine Schippe draufgelegt.
Zu Beginn des Roman erfährt man, dass auf den Frauen der Farrow-Familie ein Fluch liegt. Sie scheinen im Laufe ihres Lebens verrückt zu werden und den Bezug zur Realität zu verlieren. So stirbt zu Beginn Junes Großmutter, die sie aufgezogen hatte, nachdem ihre eigene Mutter sie als Baby verlassen hat und nie wieder aufgetaucht ist. June ha versucht, alles über das mysteriöse Leben ihrer Mutter Susanna in Erfahrung zu bringen, denn ihre Großmutter hat stets darüber geschwiegen. Nun befürchtet June, ebenfalls dem Fluch ihrer Familie zu erliegen, denn sie hat seit etwa einem Jahr Halluzinationen, hört Stimmen und sieht Dinge, die nicht da sind. Dann erhält sie ein rätselhaftes Foto per Post, auf dem ihre Mutter mit dem ehemaligen Bürgermeister Nathaniel Rutherford zu sehen ist. Datiert ist das Bild auf das Jahr 1923, also 100 Jahre in der Vergangenheit. June beginnt in Archiven zu suchen und stößt auf eine Wahrheit, die zu unglaublich ist, um sie zu glauben. Es beginnt für sie eine Reise in die Vergangenheit, die sehr emotional wird und nach und nach alle Antworten liefert.
Ich habe es geliebt, gemeinsam mit June nach Antworten zu suchen und Brotkrumen für Brotkrumen zu finden, um daraus ein Gesamtbild entstehen zu lassen. Die Spannung des Romans war durch das konsequente Nichtwissen permanent hoch. Es entstand ein regelrechter Sog, aus dem man nicht entkommen konnte. Der Anfang zieht sich ein wenig, da es so viele Fragezeichen gibt. Doch es lohnt sich definitiv, weiterzulesen. Denn die Geschichte wird auf eine andere Zeitebene gelegt, es kommen neue Charaktere hinzu und der Spannungsbogen umfasst immer mehr Ereignissen. Durch alles hindurch schwingt der Mord an Nathaniel Rutherford, der 1953 verübt wurde und June sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit beschäftigt. Adrienne Young hat es wieder einmal geschafft, eine absolut einzigartige Atmosphäre zu erschaffen. So einen Roman habe ich noch nie gelesen und er hat mich absolut abgeholt. Die Familiendynamik war sehr einfühlsam beschrieben, ich habe permanent mit June gefühlt. Die anderen Charaktere wussten oft viel mehr als die Protagonistin, und ihre hilflose Wut konnte man als Leser sehr gut nachvollziehen.
Der Schreibstil war fließend, es gibt keine ausschweifenden Beschreibungen, sondern Young konzentriert sich auf den Kern der Geschichte und streut ganz sanfte Hinweise, die man beinahe übersehen kann.
Ich bin absolut verzaubert von diesem Buch. Falls ihr etwas außergewöhnliches sucht, dann rate ich euch dringend, „The Unmaking of June Farrow“ zu lesen.