Cornelia Funke: Die Farbe der Rache
Cindy
Zwanzig lange Jahre ist es her, seit „Tintenherz“ erschienen ist und nun können wir alle endlich ein weiteres Mal die Tintenwelt besuchen, um eine gänzlich neue Geschichte zu erleben. Ich finde kaum de richtigen Worte, um zu beschreiben, wie sehr ich mich auf dieses Buch gefreut habe. Die erste Seite aufzuschlagen, wieder mit Staubfinger in Ombra zu sein… das war wie nach Hause kommen. Cornelia hat es geschafft, den Tintenzauber zu erhalten und weiterzuspinnen, die Welt noch dichter zu weben und die Leser in neue Ecken mitzunehmen. Denn genauso wie das Publikum gewachsen ist, wächst auch die Tintenwelt in „Die Farbe der Rache“. Natürlich hätte ich gern über den Weglosen Wald gelesen, über Ombras Gassen und vielleicht auch ein wenig über die Entwicklungen auf Seiten der Nachtburg erfahren, doch diese Plätze kennt man als Leser ja bereits sehr gut. Nun wurde es Zeit für etwas Neues, doch das Neue bringt alte Bekannte mit. Denn zu wem passt Rache besser als zu Orpheus? Dieser hat nämlich im Norden, in Grunico, einen dunklen Weg gefunden, sich an Staubfinger zu rächen. Eine furchtbare Rache, die sowohl mit einem Buch als auch mit Bildern zu tun hat. All die Menschen, die Staubfinger liebt, geraten in große Gefahr, sodass er gezwungen ist, Orpheus aufzusuchen und das drohende Unheil zu bekämpfen. Niemand geringeres als der Schwarze Prinz steht ihm dabei zur Seite und ich möchte behaupten, dass diese Geschichte mehr über den Prinzen erzählt als über Staubfinger. Wir erfahren die Namen der beiden, was für mich erst einmal ein wenig ungewohnt war. Doch die Umstellung war dann doch leicht, denn Cornelia Funke hat ein unglaublich gute Gespür für Namen. Ich mochte es so gern, mehr über die Vergangenheit des Prinzen zu erfahren und hätte mir die ein oder andere Kindheitserinnerung mit Staubfinger gewünscht, um der Freundschaft mehr Tiefe zu verleihen.
Gänzlich überrascht hat mich die Rolle von Jehan, Staubfingers Stiefsohn. Ich habe mich immer gefragt, wie er dazu steht, dass der Vater seiner Schwester wieder zurück ist. Ich mochte diesen Erzählstrang von allen in diesem Buch am meisten. Diese Verbindung war neu und doch vertraut. Jehan ist erwachsen geworden und trotzdem noch immer ein Kind, voller Leidenschaft und aufbrausend.
Es gibt auch gänzlich neue Charaktere wie Lilia. Ich finde, sie schlägt eine ganz wunderbare Brücke zwischen den Moosweibchen der Tintenwelt und den guten Hexen der Spiegelwelt. Ihre Verbindung zum Schwarzen Prinzen mochte ich sehr, und auch die zu Roxane. So hatte ich nie das Gefühl, dass diese neue Figur fremd ist. Sie fühlte sich eher wie eine alte Bekannte an, die nun gekommen ist, um zu bleiben.
Der Bogen zur Spiegelwelt wird so subtil und sanft geschlagen, dass man es kaum merkt. Es wirkt ganz natürlich und doch hat mein Herz jedes Mal höher geschlagen, wenn ich eine Parallele entdeckt habe.
Cornelia hat im Vorfeld der Veröffentlichung oft gesagt, dass Meggie und Mos Geschichte zu Ende erzählt ist und dieses Buch Staubfinger und dem Schwarzen Prinzen gehört. Und da ist wirklich so. Zwar erhalten unsere alten Helden einen kurzen Gastauftritt, aber man blickt nur kurz durch eine offene Tür in ihr Leben, weiß, wie es ihnen geht und sagt dann Lebewohl. Das war ein wenig schmerzhaft, aber auch schön, weil es zu keinen Enttäuschungen führt.
Die Handlung hat mich gefesselt, so wie es auch die anderen Tintenbücher getan haben. Man wird einfach hineingesogen in diese Welt und möchte aus diesem Tagtraum nicht erwachen. Es gibt so viel Schrecken und Gefahren, doch über allem schwebt der Zauber der Tintenwelt, den man nicht greifen sondern nur fühlen kann. Selbst die dunkle Magie übt eine starke Faszination aus und ich finde es unglaublich gut gelungen, wie sich dieser Zauber in der Covergestaltung findet. Generell ist das Cover ein absolutes Meisterwerk und man kann es immer wieder anschauen und neue Details wahrnehmen. Auch die Innengestaltung vermittelt das Gefühl, wieder in der Tintenwelt zu sein. Es gibt die liebgewonnenen Zitate am Kapitelanfang (und die Tintentrilogie selbst wird zitiert, was passender nicht sein könnte) sowie kleine Illustrationen. Gerne hätte ich auch eine Karte mit einer Erweiterung der Tintenwelt gehabt, doch ein kleiner sentimentaler Teil in mir findet es gut, dass meine Vorstellung der Tintenwelt nur von der Nachtburg bis zur Burg im See reicht.
Es gibt wieder wunderschöne Weisheiten in dieser Geschichte, zauberhaft verpackt in Cornelias Wunderworte. Ich habe es sehr genossen, zurück in die Tintenwelt zu reisen. Das heimelige Gefühl der Trilogie bleibt erhalten, man trifft alte und neue Freunde wieder und erlebt eine fantastisches Abenteuer. Tintenwelt ist für immer nach Hause kommen!