Blog,  Rezensionen

Kai Meyer: Die Bücher, der Junge und die Nacht

Cindy

Dieses Buch war wie gemacht für mich! Sobald ich gelesen habe, dass es um einen Buchbinder geht und in Leipzig spielt, war ich hellauf begeistert. Ich bin selbst Buchbinderin, habe in Leipzig meine Ausbildung gemacht und konnte mich an so vielen Stellen in dem Roman wiederfinden. 

Dies war mein erster Kai Meyer (schockierend, ich weiß) und er hat mir wirklich gut gefallen. Die Sprache ist wunderbar poetisch, Meyer webt aus den Worten einen dichten Teppich der Vergangenheit, man riecht den Rauch und den Leim, man spürt die Flammen. Es war ein magisches Leseerlebnis, dass sich wie ein Film vor mir ausgebreitet hat.

Der Roman spielt auf drei verschiedenen Zeitebenen, die harmonisch ineinander greifen und so angeordnet sind, dass man nach und nach Verbindungen ziehen kann. In den 1930er Jahren ist der Protagonist der Buchbinder Jakob Steinfeld, der in Leipzig turbulente Zeiten erlebt. Die beiden anderen Erzählstränge folgen den Spuren seines Sohnes Robert, einmal in den 40ern und dann in den 70ern. Die historischen Umstände sind meiner Meinung nach sehr gut beschrieben. Ich fühlte mich beim Lesen von Jakobs Perspektive sehr ohnmächtig und wütend, und doch auch hoffnungsvoll. Das lag vor allem an den liebevoll gezeichneten Nebenfiguren, die der Geschichte sehr viel Charme verleihen und für wunderbare Gespräche sorgen.

In Jakobs Werkstatt habe ich mich direkt zuhause gefühlt, auch wenn ich dort lieber in einer anderen Zeit leben würde. Natürlich geht es in dem Roman um Bücher und zwei Titel spielen eine ganz besondere Rolle. Diese beiden Romane sind der rote Faden, der sich durch die gesamte Handlung zieht. Man geht mit den Protagonisten auf Bücherjagd und verfolgt gespannt, welche Wege die Romane nehmen. Ich wurde immer wieder überrascht, die Handlung war definitiv sehr spannend. Am Ende spitzt sich alles auf das große Finale zu, dass noch ein paar schockierende Enthüllungen bereit hält. Die Nazi-Zeit spielt eine große Rolle im Roman und ich fand es spannend, diesen 70er Jahre-Blick auf die Vergangenheit zu haben. Robert ist ein sympathischer Erzähler, der mir beim Lesen sehr ans Herz gewachsen ist.

Mir gefiel der Perspektiv- und Zeitwechsel richtig gut. Die Handlung war geradlinig, es wurde enorm viel Spannung aufgebaut, weil man als Leser so viele Fragen hatte. Ich konnte kaum aufhören zu lesen! Es gibt auch ein mystisches Element im Buch, was ich gut umgesetzt fand. Generell habe ich es geliebt, dass das geschriebene Wort eine so große Rolle gespielt hat. Jakob ist Buchbinder und -händler, seit Sohn ist ebenfalls Buchhändler, aber in einer anderen Zeit mit einer anderen Spezialisierung. Die meisten Nebencharaktere haben ebenfalls etwas mit Büchern zu tun.

Und das Setting der 30er! Wow – Meyer hat das Graphische Viertel wiederbelebt und ich kann es kaum erwarten, durch Leipzig zu streifen und die alten Verlagshäuser und Werkstätten zu suchen! Als ehemalige Leipzigerin (und Buchbinderin) hat dieser Roman für mich einen unvergleichlichen Charme ausgestrahlt. Ich habe jede Seite genossen. Dieser Roman ist so clever, atmosphärisch und poetisch – große Leseempfehlung!

9783426227848 667x1024 - Kai Meyer: Die Bücher, der Junge und die Nacht
© Knaur

2 Kommentare

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.