John Green: Wie hat Ihnen das Anthropozän bisher gefallen?
Cindy
Ein neuer John Green? Als großer Fan seines Schreibstils und seiner Geschichten war ich sofort Feuer und Flamme, als ich davon gehört hatte. Dass es sich bei “Wie hat Ihnen das Anthropozän bisher gefallen?” um ein Sachbuch und nicht um einen Roman handelt, hat mich nicht abgeschreckt. Green hat schon immer gern Fakten und persönliche Ansichten in seine Bücher eingebunden, daher ist ein Sachbuch ein logischer Schritt. Im Gegensatz jedoch zu normalen Sachbüchern ist dieses hier geprägt von den persönlichen Erfahrungen des Autors. Man kann es schon beinahe als Autobiografie bezeichnen.
Ich finde bereits den Titel absolut spannend. Als Anthropozän wird das Erdzeitalter bezeichnet, in dem wir uns gegenwärtig befinden. Die einzelnen Kapitel des Buches behandeln immer je ein Thema. Diese können ganz banal sein (Plantanen) oder aber sehr speziell (Unsere Fähigkeit zu staunen), sie sind jedoch immer verknüpft mit den persönlichen Erfahrungen Greens. Dabei geht er nicht linear vor und folgt auch keinem ersichtlichen übergeordneten Konzept. Wir springen in verschiedenen Zeiten hin und her, sowohl was die übergeordneten Themen als auch die biografischen betrifft. Dennoch kam es mir beim Lesen nie unlogisch vor, weil hinter John Greens Worten eine ganz eigene John Green Logik steckt. Man merkt an einigen Stellen einen blassen roten Faden, wie etwa dann, wenn Greens Vorliebe für den FC Liverpool zum Tragen kommt (dieses Buch hat mich sogar dazu gebracht, mir eine Zusammenfassung des Champions League Finales von 2005 anzuschauen!).
Es ist erstaunlich, wie gut Green langweilige Fakten verpacken kann, indem er detailliert recherchiert und seine eigenen Ansichten dazu einbaut. Seine Sicht auf die Dinge ist sehr eigen und doch unglaublich vertraut. Immer wieder schimmern Sätze durch, die er fast genau so bereits in seinen Romanen verwendet hat und die nun eine tiefere, persönlichere Bedeutung erhalten. Man versteht, warum seine Figuren so sind, wie sie sind und wie viel John Green wirklich in John Green Figuren steckt. Natürlich merkt er selbst an, dass einige seiner Ereignisse sich anders zugetragen haben, als er sie erzählt. Denn er erzählt uns natürlich nur das, was er preisgeben möchte. Dennoch kann man einen Blick hinter die Fassade werfen. Green spricht immer wieder seine Depressionen und Zwangsstörungen an. Er erzählt auf emotional abgestumpfte und doch sehr berührende Art und Weise von seiner schlimmsten Zeit, in der er beinahe aufgegeben hätte. Ich fand es absolut fesselnd zu sehen, was ihn als Menschen geprägt hat und welche Gedanken er verfolgt.
“Wie hat Ihnen das Anthropozön bisher gefallen?” bleibt jedoch auch ein Sachbuch, in dem der Autor den Menschen den Spiegel vorhält. Green befasst sich mit Themen, die auf den ersten Blick banal erscheinen mögen (wie Kentucky Bluegrass oder Klimaanlagen), auf den zweiten Blick aber das Bizarre am Anthropozän offen legen. Dabei ist es auch hochaktuell, denn Green reflektiert auch die aktuelle Pandemie und fasst dabei in Worte, was viele Menschen weltweit gerade fühlen und durchmachen.
“Wie hat Ihnen das Anthropozän bisher gefallen?” ist clever und humorvoll, charismatisch und poetisch, aber vor allem sehr aktuell. Denn Green hat die einzelnen Kapitel nicht ohne Grund gewählt. Er bewertet alles nach einem Fünf-Sterne-System, wie wir es beispielsweise von Amazon kennen. Wie viele Sterne würde man dem “Flüstern” geben? Wie viele “Sonnenuntergängen”?
Ein Buch am Puls der Zeit, was auf typische John Green Art poetisch ist. Seine Bücher besitzen einen ganz eigenen Charme und das “Anthropozän” reiht sich trotz des Genrewechsels nahtlos im Schreibstil bei seinen Romanen mit ein. Ich gebe “Wie hat Ihnen das Anthropozän bisher gefallen?” fünf Sterne.