Nastya ist eine sehr leidenschaftliche Protagonistin. Sie würde für ihre Familie alles tun, ist aber auch zu Späßen aufgelegt. Trotz des Exils und der trostlosen Lage der Romanovs verliert sie ihren Lebensmut und ihre Fröhlichkeit nicht.
Die erste Hälfte der Geschichte orientiert sich sehr stark an historischen Fakten. Die Verlegung der Romanovs von Tobolsk nach Ekaterinburg wird thematisiert sowie deren Aufenthalt im Ipatiev-Haus. Der größte Teil der Geschichte spielt sich in diesem Haus ab. Dabei merkt man, wie wichtig ein guter und flüssiger Schreibstil ist, denn man fliegt durch die Seiten, obwohl wenige spannende Dinge passieren. Brandes Stil ist sehr flüssig und leicht verspielt, sodass man sich sehr gut in Nastya einfühlen kann. Ihre teils naive Denkweise kommt gut zum Tragen genauso wie ihr Rationalismus.
Obwohl die Romanov-Familie sehr romantisiert und als unschuldig dargestellt wird, findet in dieser Geschichte kein schwarz-weiß-Denken statt. Die Bolsheviken sind nicht die Bösen, sondern die Autorin versucht beide Seiten ausreichend zu Wort kommen zu lassen.
Sie bringt natürlich auch eine Liebesgeschichte mit ein. Der junge Bolshevik Zash kämpft mit seiner Verantwortung und seinen Gefühlen für Nastya. Er ist eine durchaus interessante Figur, die für die ein oder andere Überraschung gut ist.
Das fantastische Element der Geschichte, die Magie, kam mir persönlich ein wenig zu kurz. Es ist ein originelles Magiesystem, über das ich gern mehr erfahren hätte. Es blieben da einige Fragen offen.
Generell war “Romanov” eine packende und originelle Neuerzählung des Anastasia-Mythos, auch wenn mir zum Ende hin das gewisse Etwas gefehlt hat. Ich habe eine Menge Gefühle beim Lesen durchlebt, mitgefiebert und mitgelitten. Wer sich eine historisch akkurate Geschichte erhofft, der ist hier fehl am Platz. Die Autorin hat die Fakten mit Fantasie überzogen und eine eigene Wirklichkeit erschaffen, in der man sich durchaus für einige Stunden verlieren kann. Der Schreibstil ist der größte Pluspunkt der Geschichte, denn man fliegt durch die Seiten. Die Charaktere sind sehr liebevoll gezeichnet, wenn auch ein wenig romantisiert. Doch im Großen und Ganzen eine sehr lesenswerte Geschichte.